Wie Hunde bei uns landen.....

Wenn ein Hundehalter als Pflegefall in ein Pflegeheim kommt oder verstirbt und der Rest der Familie ganztags berufstätig ist, andere Tiere hält, sein Leben überhaupt nicht auf Tiere eingestellt hat, dann ist es nur natürlich und verantwortungsvoll, dass nach einer Lösung außerhalb der eigenen vier Wände gesucht wird. Dieser Abgabegrund wird in der Öffentlichkeit nie kritisiert.


Es gibt aber auch andere Situationen als Pflegebedürftigkeit und Tod, die die Abgabe eines Hundes in den Augen des Halters erforderlich machen....Der Halter wohnt in einem Obergeschoss ohne Aufzug und der Hund kann keine Treppen mehr laufen. Die Halter haben sich getrennt, beide arbeiten wieder in Vollzeit und der Hund hat vorher nicht gelernt alleine zu bleiben oder die Zeit ist zu lang und ein Hundesitter auf Dauer nicht finanzierbar. Ein Baby wird geboren und zeigt sich direkt in den ersten Lebensmonaten schwer allergisch gegenüber diversen Allergenen. Der Hund ist krank und benötigt dauerhaft Pflege. Der Hund ist inkontinent und die Wohnung ist mit Teppichböden ausgelegt. Man ist umgezogen, der Hund bellt in Abwesenheit und die Mitmieter machen Druck, der Vermieter droht mit Kündigung.....Hier sehen sich Hundehalter schnell zum Teil massiven Anfeindungen von anderen, meist engagierten Hundehaltern ausgesetzt.


Manche Tierhalter halten ihren Hund auch für so schwer krank, dass sie ihm weiteres Leiden ersparen wollen, gehen zum Tierarzt mit der Bitte um Einschläferung und werden dort zurückgewiesen.


Meistens läuft es wie folgt: Zunächst wenden sie sich an den Freundes- und Bekanntenkreis. Danach inserieren sie z.B. bei Ebay Kleinanzeigen und rufen Tierheime an. Häufig werden alte Hunde bei Tierheimen nicht gerne aufgenommen, weil die Betreiber wissen, dass ein alter Hund schwer vermittelt wird und auch die nötige Zuwendung und Pflege in Zwingerhaltung schwierig zu gewährleisten ist. Wenn sie Pech haben, werden sie nach einer Ebay-Anzeige von verständnislosen Anrufern beschimpft oder bekommen Hassmails. Ganz riskant ist es, wenn irgendjemand eine solche Anzeige liest, sich darüber aufregt und sie dann bei Facebook verlinkt mit entsprechender Botschaft versehen. Oft haben die Anrufer, die hier einen Hund als Notfall melden, schon eine wahre Odyssee hinter sich, bis ihnen jemand unsere Nummer genannt hat oder sie im Internet zufällig auf unseren Verein gestoßen sind.


Telefonate beginnen dann oft wie folgt:


"Guten Tag, ist da das Omihunde-Netzwerk?"

"Ja"

"Wissen Sie, ich habe immer gesagt, ich gebe niemals meinen Hund ab, ich habe solche Leute immer verachtet, und jetzt rufe ich bei Ihnen mit einem Notfall an. Ich weiß nicht mehr weiter. Können Sie mir eventuell helfen?....


Es folgt dann die Schilderung der Versuche, die bereits stattgefunden haben.


Häufig muss ich weinende Anrufer regelrecht nach den Details zu ihrem Hund ausfragen, weil sie so beschäftigt mit der Gesamtsituation sind und auch damit, sich für ihr Tun zu rechtfertigen. Die Anrufer sind traurig und verzweifelt. Sie haben in ihren Augen alles versucht und sind am Ende der Möglichkeiten angelangt. Viele fragen sich auch, ob es nicht besser für den alten Hund wäre, eingeschläfert zu werden, als sich noch einmal umzugewöhnen. Leider gibt es einerseits viele Nicht-Hundemenschen, die schnell mit der Spritze wären und dementsprechende Bemerkungen fallen lassen, wenn ein Halter von seiner Notlage berichtet. Andererseits gibt es auch immer noch genügend Tierärzte, die sich kaum mit den psychischen Möglichkeiten von alten Hunden auskennen und dementsprechend schnell eine Einschläferung angezeigt sehen, wenn Halter signalisieren, dass sie sonst ihren Hund abgeben müssten.


Und jetzt sind wir bei einem ganz wichtigen Punkt im Gespräch angelangt.


Hier gilt es, dem abgebenden Halter Mut zu machen. Mut, weiter eine Lösung zu suchen, auch wenn das schwierig ist. Wir als Omihunde-Netzwerk können unterstützen entweder durch direkte Übernahme, aber immer öfter auch durch unsere Gastvermittlung, bei der der Hund vom alten Halter gleich in die neue Familie zieht. Manchmal können wir auch Tipps geben für praktische Lösungen, die einen Verbleib in der Familie ermöglichen oder zumindest die Übergangsphase erträglich für alle Seiten machen, bis ein neues Zuhause gefunden werden kann. Manche Menschen haben wenig Erfahrungen in der Hundehaltung, bekommen Angst, den richtigen Zeitpunkt für eine Einschläferung zu verpassen oder sind schlicht nicht kreativ genug, sich Lösungen auszudenken.


Es macht überhaupt keinen Sinn, dem abgebenden Halter jetzt Vorwürfe zu machen, sein Unverständnis zu äußern oder Abgabegründe überhaupt erstmal zu hinterfragen. Menschen, die ihren Hund bei uns als Notfall melden, haben sich das vorher lange genug überlegt. Sie rufen nicht aus Jux und Dollerei bei uns an. Nur weil ich in einer vergleichbaren Situation meinen Hund nicht abgeben würde, muss das der andere Hundehalter noch lange nicht aushalten. Er ist jetzt entschlossen, sich vom Hund zu trennen. Wenn wir ihn jetzt beschimpfen, wegschicken oder anderweitig verprellen, ist dem Hund überhaupt nicht geholfen. Im Gegenteil, sein Risiko steigt, dass keine gute Lösung gefunden wird. Das Risiko der verfrühten Einschläferung steigt ungemein.


Für viele Halter ist Tierschutz oder Tierheim immer noch gleichbedeutend mit Aufbewahrung der Tiere in steril gekachelten Räumen ohne Kuschelfaktor. Bevor sie ihr altes Tier in so eine Situation schicken, lassen sie es lieber töten. Und leider gibt es genügend Tierärzte, die das tatsächlich ebenso sehen und das verantwortungsvoller finden, als das Tier in eine ungewisse Zukunft bei fremden Menschen zu schicken.


Wir als Omihunde-Netzwerk sind ja gerade angetreten, um Hunden einen vollwertigen Alterungsprozess zuzugestehen und ihr Leben nicht vorzeitig zu beenden, weil unsere menschliche Situation eine Begleitung nicht zulässt. Wir übernehmen in der Regel Hunde aus ganz normalen Familien, aus Wohnungshaltung mit engem Kontakt zu Menschen. Die Hunde sind viele Jahre mit Menschen zusammen gewesen und dementsprechend sozialisiert.


Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Hunde sich gut umgewöhnen können, sofern die neue Situation hundegerecht ist, der Hund nicht bedrängt, aber auch nicht alleine gelassen wird, leckeres Futter bereitgestellt wird und auf die Grundbedürfnisse zum Lösen und für Bewegung eingegangen wird. Die meisten Hunde kommen aus Einzelhaltung und landen in ihrer Pflegefamilie oder hier auf dem Hof in Mehrhundehaltung. Schon alleine das ist eine interessante Abwechslung für den Hund, fordert ihn mit allen Sinnen und lenkt auch wunderbar von der Trennung von seinen bisherigen Menschen ab. Die Hunde kommen bei uns sofort wieder in ein familiäres Umfeld. Wir versuchen in den Gesprächen mit der abgebenden Familie möglichst viel zu erfahren, was die bisherigen Gewohnheiten betrifft. Häufig haben wir schon festgestellt, dass Hunde Futter nur lauwarm annehmen. Das sind Hunde, die gewohnt waren, dass Mutti für sie kocht. Viele betteln auch hemmungslos am Tisch und gucken einen vollkommen verständnislos an, wenn man ihnen Trockenfutter in den Napf füllt. Das sind aber Übergangsprobleme, denen wir locker und entspannt begegnen können, weil die Hunde individuell betreut werden und wir auch die entsprechenden Erfahrungen mitbringen. 


Oft bedeutet der Umzug des Hundes auch eine massive Verbesserung der Lebensqualität durch hundegerechte Wohnverhältnisse. In einer ebenerdigen Umgebung mit fast ständigem freien Gartenzugang spielt eben weder die Fähigkeit Treppen zu steigen noch die Fähigkeit Urin und Kot über viele Stunden zu halten eine Rolle. Unsere Pflegestellen sind nicht ganztags berufstätig, sondern müssen die Hunde wenn überhaupt dann mal stundenweise alleine lassen. Bei Gesundheitsproblemen wie z.B. Durchfällen hilft unsere langjährige Erfahrung, die Hunde nicht erst lange austrocknen zu lassen, sondern schnell und kompetent zu handeln. Unsere Tierärzte sind es gewohnt, dass wir auch mit sehr alten Hunden auf top Versorgung pochen und selbstverständlich auch bei uralten Hunden noch Zähne sanieren, Herzuntersuchungen durchführen lassen usw. Insofern ist der Notfall in der alten Familie nicht immer das Schlechteste, was dem Hund passieren kann. Wir haben jetzt schon so viele uralte Hunde erlebt, die sich wirklich toll in ihrer neuen Situation eingefunden haben, die noch eine wunderbare Zeit erleben durften.


Und genau das müssen wir den Haltern in Not offen und ehrlich vermitteln, ohne sie anzugreifen oder uns aufs hohe Ross zu setzen. Ich habe jetzt in den letzten vier Jahren schon so viele wirklich erschütterte Menschen am Telefon erlebt, die nach etlichen Telefonaten mit wirklich unangenehmen Reaktionen bei uns gelandet waren. Viele Angerufene hatten direkt nach Nennung des Hundealters das Telefonat mehr oder weniger elegant abgebrochen, manche hatten ihnen Vorwürfe gemacht wegen der Abgabegründe, andere hatten zur Einschläferung geraten. Wir hören zu, fragen nach den Fakten und tun unser Bestes um zu helfen, nicht mehr, aber auch nicht weniger.